18 Jul 2018

Radlos in der dänischen Südsee

Geschrieben von eva (Roskilde, Dänemark)

Eines unserer letzten Erlebnisse an der deutschen Ostsee wird uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben: Wir fahren mit unseren Fahrrädern vom Campingplatz nach Ribnitz-Damgarten, um noch ein paar Dinge zu besorgen. Zum Mittagessen geht’s zum „Springenden Hirsch“, einem netten Lokal mit selbstgemachten Wildspezialitäten – lecker! Gut gestärkt also wollen wir uns wieder auf den Rückweg machen, als wir beim Blick auf unsere Räder stutzig werden. Irgendwas ist anders und stimmt so nicht! Gleich ist klar: nur noch mein Rad steht am belebten Marktplatz, Florian’s Rad ist weg, das Seilschloss fachmännisch durchtrennt. So ein Mist! Wir müssen zur Polizei und Anzeige erstatten, aber der nächste Bus Richtung Campingplatz geht in ein paar Minuten, danach erst wieder in 2 Stunden. Also fahre ich mit meinem Rad zur Polizei, Florian mit dem Bus zurück. Auf meine Frage auf der Wache, wie denn die Chancen stehen, das Rad wieder zu finden, meint der Polizist: „da müssen Sie wohl in Polen suchen“. Na super! Wieder am Campingplatz angekommen, schildert mir Florian seine Erlebnisse auf der Busfahrt. Schon an der Bushaltestelle macht er eine nette Bekanntschaft – zum Glück, dennn ich hatte das Geld dabei und in der ganzen Radklauhektik nicht daran gedacht, dass die Busfahrt ja nicht kostenlos ist! Florian wird spontan auf die Busfahrt (und 6 Kirschen!) eingeladen. Dabei hat er sich mit, wie sich später herausgestellt hat, Else Buschheuer, Journalistin, Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin, angefreundet und ihr auch von unserem Leben in den letzten 8 Jahren erzählt. Am nächsten Tag treffe auch ich sie, da wir uns in Wustrow zum Mittagessen verabredeten haben. Neben Else, die total sympathisch ist und vor Energie sprüht, dürfen wir auch Frau Schadt, unsere ehemalige First Lady, kennenlernen! Florian wusste ja schon, dass Else mit den Gaucks sehr gut befreundet ist, aber damit hatten wir nicht gerechnet. Herr Gauck wollte sich eigentlich auch mit uns „Nomaden“ treffen, war aber leider kurzfristig verhindert. Zumindest haben wir unseren ehemaligen Bundespräsidenten herzlich grüßen lassen. Dieses Erlebnis, mit zwei so wunderbaren Frauen ein paar unterhaltsame und lustige Stunden verbringen zu dürfen, werden wir wohl nicht vergessen. Lieber wäre es uns natürlich gewesen, wenn das Ganze nicht erst durch ein geklautes E-Bike zustande gekommen wäre – aber so wurde der Verlust ein wenig ausgeglichen.

Weiter geht es mit der Fähre nach Dänemark in die dänische Südsee. Wir haben einen Campingplatz in Ulvshale gefunden, von hier aus machen wir einen Ausflug zu Møns Klint, den Kreidefelsen, die sehr an die Küste auf Rügen erinnern. Und wie auch viele Jahre zuvor auf Rügen fasziniert uns hier der dichte Buchenwald an der Steilklippe, über die uns viele Holzstufen 128 Meter hinab zum Meer führen. Wir suchen zwischen Steinen und Kreideabbrüchen nach Fossilien, Hühnergöttern und Donnerkeilen. Doch erst nach schlechtem Wetter sind die Chancen größer, dass das Meer und die Felsen etwas von ihren Schätzen an den Strand werfen. Da ist uns das schöne Wetter der letzten Woche dann doch lieber!

Eine weitere Besonderheit sind die Dolmengräber, die über die Landschaft verteilt sind. Es handelt sich hier um ca. 5.000 Jahre alte Grabstätten, die von außen wie kleine Hügel aussehen. Über einen kleinen Eingang, den man nur im Entenschritt (gut für die Fitness!) passieren kann, kommt man in eine von großen Steinen gestützte Grabkammer. Auch hier kann man nicht aufrecht stehen – für mich aber trotzdem bequemer als für Florian. Manchmal hat es auch Vorteile, wenn man nicht so groß ist!

Es ist sehr trocken in der dänischen Südsee, das ändert sich auch nicht, als wir unseren Standort wechseln und nach Roskilde fahren. Auch hier lechzt der Boden nach Wasser und das Gras ist nicht mehr grün, sondern gelb. Unser Nachbar hat trotzdem den Rasen gemäht – welchen Sinn auch immer er darin gesehen hat – und ich habe das erste Mal gesehen, dass es beim Mähen staubt. Seit Mai hat es hier nicht mehr geregnet! Der Campingplatz liegt direkt am Fjord und trotz des gefühlt eiskalten Wassers ist es herrlich, jeden Tag eine Runde zu schwimmen.

Roskilde bietet sich hervorragend an, um mit Bus und Bahn nach Kopenhagen zu fahren. Kopenhagen bezeichnet sich selbst als glücklichste Stadt der Welt – das können wir nachvollziehen. Die Stadt ist lebendig und von vielen Wasserstraßen durchzogen. Wasserbusse fahren hier und Touriboote, auch teils selbstgebaute Partyboote, auf denen junge Leute mit reichlich Alkohol versorgt dahintuckern. Die sonnenhungrigen Städter und auch wir Touris nutzen die vielen Sitz- und Liegegelegenheiten am Wasser, und so gibt es überall etwas zu sehen. Daneben gibt es natürlich noch viele Sehenswürdigkeiten, aber wir lassen uns lieber treiben und genießen es, über die Strøget, DIE Einkaufsmeile in Kopenhagen, zu flanieren. Auch die vielen Seitengassen mit den kleinen Läden und Cafés haben es uns angetan. Ich möchte auch unbedingt die Kleine Meerjungfrau sehen – und bin dann fast ein wenig enttäuscht. So ist es manchmal, wenn die Erwartung zu groß ist. Trotzdem hätte ich sonst das Gefühl gehabt, etwas Wichtiges versäumt zu haben. Amalienburg steht natürlich auch auf dem Programm. Zur berühmten Wachablösung kommen wir gerade ein bisserl zu spät, Königin Margarethe ist auch nicht da (sichtbar an den fehlenden Fahnen), also spazieren wir weiter. Die Architektur in der Stadt gefällt uns. Es gibt alte erhrwürdige Handelshäuser, Schlösser, alte Speicherhäuser, moderne Würfelhäuser und ganz vieles dazwischen. Fahrradfahren wird groß geschrieben in Kopenhagen, es gibt sogar richtige Fahrradhighways. Ach wie gerne würden wir da mitfahren, aber derzeit könnte das ja nur ich!

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